Schönheitsreparaturen: Mit längeren Regelfristen auf der sicheren Seite
Ausgangspunkt zu den früheren Renovierungsintervallen
Bei der früher viele Jahrzehnte verbreiteten Fristenregelung des sog. Mustermietvertrages des Bundesjustizministeriums ist zumindest seit 2007 Vorsicht geboten. Dieser Mustermietvertrag sah vor, dass
„Küche, Bad und Feuchträume alle 3 Jahre,
Wohn- und Schlafräume, Flur, Dielen und Toiletten alle 5 Jahre und
Nebenräume alle 7 Jahre“
zu renovieren seien. Der BGH hat 2007 Zweifel geäußert, ob die durch diesen Mustermietvertrag eingeführten Regelfristen inzwischen zu kurz bemessen seien (BGH, Urt. v. 26.09.2007 – VIII ZR 143/06, NZM 2007, 879).
Die Passage aus dem BGH-Urteil lautet folgendermaßen:
„Allerdings wird im Schrifttum (Langenberg, WuM 2006, 122; ders., WuM 2007, 231, 233; Wiek, WuM 2006, 680, 681; Blank/Börstinghaus, Miete, 2. Aufl., § 535 Rdnr. 269; vgl. auch Artz, NZM 2007, 265, 274; Kappus, ZMR 2007, 31, 32) zunehmend - wie auch vom Berufungsgericht - die Dauer der Regelfristen von drei, fünf und sieben Jahren als unangemessen kurz kritisiert. Sie entsprechen dem Fristenplan, der in § 7 Fußnote 1 des vom Bundesministerium der Justiz herausgegebenen Mustermietvertrags 1976, Fassung I, enthalten ist (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 22/76, abgedruckt bei Gelhaar in BGB-RGRK, 12. Aufl., Vor § 535 Rdnr. 87). Ob bei neu abzuschließenden Mietverträgen wegen inzwischen veränderter Wohnverhältnisse und verbesserter Dekorationsmaterialien zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters für einzelne oder für alle Renovierungsarbeiten längere Regelfristen geboten sind oder ob im Hinblick auf die Abhängigkeit des regelmäßigen Renovierungsbedarfs von der Art und Weise der jeweiligen Dekoration und dem konkreten Wohnverhalten kein Anlass für eine Verlängerung der Fristen besteht (so Schach, GE 2006, 1018), bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls für in der Vergangenheit geschlossene Mietverträge hält der Senat an seiner Rechtsprechung (Urteil vom 16. Februar 2005 - VIII ZR 48/04, NJW 2005, 1188, unter II 1, m.w.N.; Urteil vom 18. Oktober 2006, aaO) fest, dass der Fristenplan des Mustermietvertrags auch im Falle der formularvertraglichen Vereinbarung zulässig ist.“
Das Unwirksamkeitsrisiko für Renovierungsklauseln
Mit diesen Ausführungen problematisiert der BGH die Frage, ob die Regelfristen des Mustermietvertrages heutzutage überhaupt noch angewendet werden können. Insoweit verweist der BGH auf die in der Literatur vorgebrachten Argumente (Langenberg, WuM 2006, 122; ders., WuM 2007, 231 (233) und Schach, GE 2006, 1018).
Langenberg spricht sich darin dafür aus, die Regelrenovierungsfristen von drei, fünf und sieben Jahren auf das neue Fristenintervall von fünf, acht und zehn Jahren zu verlängern (Langenberg, Schönheitsreparaturen, Instandsetzung und Rückbau, 4. Aufl., 2011, I. Teil Rdnr. 179). Nach Langenberg seien die Fristen von drei, fünf und sieben Jahren im Hinblick auf die heutzutage anzutreffende Wohnungsausstattung (keine Beheizung mit Kohleeinzelöfen und Kohlebadeofen, sondern schmutzarme Zentralheizung und gut zu reinigende Fliesenfußbodenmaterialien) die Wohnraumbelegung von heute 40,7 m² je Person gegenüber der Zeit des 2. Wohnungsbaugesetzes vom 01.09.1945 mit einer Wohnfläche von mehr als 50 m² für mehrere Personen. Zudem seien die heutzutage angebotenen und verwendeten Dekorationsmaterialien wie Tapeten, kunststoffbeschichtete Mustertapeten sowie Farben und Lacke erheblich besser, da sie widerstandsfähiger und leichter zu reinigen sind, als die früher verwendeten Materialien. Deshalb spricht sich besonders Langenberg dafür aus, formularvertragsmäßig zugrunde gelegte Renovierungsintervalle im Hinblick auf die heutige Qualität von Dekorationsmaterialien auf fünf, acht und zehn Jahre zu verlängern. Soweit Verträge verwendet werden, in denen eine Bezugnahme auf Fristen fehlt, sei nunmehr nach Auffassung von Langenberg nicht mehr auf die bisher üblich angesehenen Fristen von drei, fünf und sieben Jahren zurückzugreifen, sondern auf angemessene, die mit fünf, acht und zehn Jahren anzusetzen seien.
Bei Geschäftsraummietverhältnissen sei es nach wie vor zulässig, kürzere Regelrenovierungsfristen sowohl individualvertraglich als auch formularvertragsmäßig zu vereinbaren, soweit der Renovierungsturnus an sachliche Gesichtspunkte anknüpft.
Auswirkungen für die Praxis
Nach den Hinweisen im BGH-Urteil und unter Berücksichtigung der von Langenberg vorgebrachten Argumente wird es sich für Vermieter aus Sicherheitsgründen empfehlen, bei den seit Ende 2007 abgeschlossenen Wohnraummietverträgen als Regelrenovierungsfristen fünf (Küche und Bad), acht (Wohn- und Schlafräume, Flur) und zehn Jahre (alle anderen Räume) zugrunde zu legen. Andernfalls könnte es als unangemessene Benachteiligung des Mieters im Sinne von § 309 Nr. 12 BGB angesehen werden, wenn bei neueren Wohnraummietverträgen ein Renovierungsintervall von drei, fünf und sieben Jahren zugrunde gelegt wird, da grundsätzlich mit Ablauf des Renovierungsturnus der erste Anschein dafür spricht, dass die Schönheitsreparaturen vom Mieter erfüllt werden müssen. Mithin müsste der Mieter darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass trotz Ablauf der (kurzen) Regelrenovierungsfristen noch kein Renovierungsbedarf besteht. Diese Verlagerung der Beweislast auf den Mieter könnte von der Rechtsprechung dahingehend beurteilt werden, dass diese den Mieter unangemessen benachteiligt, da der Mieter den Beweis des ersten Anscheines widerlegen muss.
Erste Instanzrechtsprechung
Aus der Instanzrechtsprechung liegt inzwischen eine erste Entscheidung vor, die die vorgenannten Grundsätze aufgreift. Das Amtsgericht Gießen hat die ehemals als üblich angesehenen Renovierungsintervalle von drei, fünf und sieben Jahren in Mietverträgen seit Anfang 2008 als unangemessen kurz anzusehen.
Haus & Grund Leipzig | RA Dr. Eric Lindner