Wohnflächenabweichung - Richtige Mietvertragsklausel führt aus Dilemma
BGH, Urt. v. 10.11.2010 - VIII ZR 306/09, NZM 2011, 70
Von einer Wohnflächenvereinbarung ist dann nicht auszugehen, wenn ein Wohnraummietvertrag zwar eine Wohnflächenangabe enthält, diese Angabe jedoch dahingehend eingeschränkt ist, dass diese nicht dazu diene, den Mietvertragsgegenstand festzulegen.
Der Fall: Im Prozess stritten die Parteien darüber, ob der Mieter berechtigt gewesen sei, die Miete wegen einer Wohnflächenunterschreitung zu mindern. In § 1 des Wohnraummietvertrages hieß es, dass die Größe der Wohnung ca. 54,78 m² betrage.
Weiter hieß es:
"Diese Angabe dient wegen möglicher Messfehler nicht zur Festlegung des Mietvertragsgegenstandes. Der räumliche Umfang der gemieteten Sache ergibt sich vielmehr aus der Anzahl der vermieteten Räume."
Nach § 6 des Mietvertrages waren die Betriebskosten nach der "Wohnfläche von 54,78 m² umzulegen". Die Mieterin machte eine Minderung geltend, weil die Wohnung nur 42,98 m² groß sei.
Die Entscheidung: Ohne Erfolg. Nach Auffassung des BGB haben die Parteien im vorliegenden Fall nicht vereinbart, dass die Wohnung eine Größe von 54,78 m² haben soll. Dies sei aus § 1 des Mietvertrages abzuleiten, wonach die Quadratmeterangabe nicht dazu diene, den Mietgegenstand festzulegen, sondern sich der räumliche Umfang der Wohnung aus der gemieteten Raumanzahl ergäbe. Auch die Angabe in § 6 des Mietvertrages, wonach die Betriebskosten nach einer Wohnfläche von 54,78 ² umgelegt werden, führe zu keinem anderen Ergebnis.
Konsequenzen für die Praxis: Die Entscheidung ist in gewisser Hinsicht bemerkenswert, da die bisherige ständige Rechtsprechung des BGH, nach der Flächenabweichungen von mehr als 10 % Minderungsrechte des Mieters begründen, auch hier hätte konsequent weiterentwickelt werden können. Möglicherweise reagiert der BGH auf die in der Literatur vielseitig vorhandene Kritik zu seiner bisherigen Rechtsprechung. Die Entscheidung ist deshalb begrüßt worden, da es dem Vermieter möglich sein müsse, gewissen Angaben als „unverbindlich“ deklarieren zu können (Wichert, Info M 2010, 523). Im Ergebnis wird die aktuelle BGH-Entscheidung aber dahingehend interpretiert, dass sich die 10 %-Rechtsprechung bei entsprechender Vertragsgestaltung gewissermaßen erledigt haben soll (Lehmann-Richter, MietRB 2011, 36). Die aktuelle Entscheidung ermöglicht Vermietern, einer Haftung wegen Flächenunterschreitungen zu entgehen. Vermietern oder Verwaltern kann daher geraten werden, die Formulierung aus dem Urteil in ihre Vertragsmuster aufzunehmen (Lehmann-Richter, MietRB 2011, 36). Sofern Inserate oder Maklerexposees Angaben zur Größe der Mietsache enthalten, sollten diese ebenfalls mit einem "Unverbindlichkeitsvorbehalt" versehen werden (Wichert, Info M 2010, 523).
In einem Punkt ist die vorliegende Entscheidung zu kritisieren: Die Angabe einer bestimmten Wohnfläche für die Umlage von Betriebskosten wird von einem Mieter sicherlich dahingehend verstanden werden, dass die Wohnung auch diese Größe aufweist (Lehmann-Richter, MietRB 2011, 36). In Fällen der vorliegenden Art kann die Frage aufgeworfen werden, ob für die Betriebskostenumlage nun die wirkliche oder die vereinbarte Wohnfläche gilt. Dieser Gesichtspunkt war nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Der BGH hat diese Frage auch noch nicht ausdrücklich entschieden. Hier wird vertreten, dass nach § 556a Abs. 1 S. 1 BGB die tatsächliche Wohnfläche heranzuziehen sei (Blank, IMR 2011, 45). Die Gegenauffassung meint, dass es den Parteien frei stehe, die für die Umlage maßgebliche Fläche willkürlich festzulegen (Lützenkirchen, ZMR 2009, 995).
Haus & Grund Leipzig | RA Eric Lindner