BGH: Abbruch oberirdischer Bauwerke ist keine Vertiefung von Grundstücken
In seinem Urteil vom 29.06.2012 - V ZR 97/11 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass der Abbruch eines oberirdischen Bauwerkes (Stützmauer), der dazu führt, dass das angrenzende Grundstück seinen Halt verliert, nicht einer Vertiefung des Grundstücks im Sinne von § 909 BGB gleichgesetzt werden kann. Ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs.1 Satz 1 BGB bestehe nicht. Derartige Abrissarbeiten seien lediglich so rechtzeitig anzukündigen, dass die Grundstücksnachbarn in der Lage sind, eigene Stützungsmaßnahmen zu treffen.
Der Entscheidung liegt folgender Rechtsstreit zugrunde: Das Grundstück der Klägerin liegt 1,60 m höher als das des Beklagten und wird von einer Mauer gestützt, welche sich auf dem Grundstück des Beklagten befindet. Unklar ist, wer von beiden verantwortlich für den Höhenunterschied der Grundstücke ist. Die Klägerin verlangt die Unterlassung der ersatzlosen Entfernung der Mauer.
Der BGH entschied, dass die Entfernung der Stützmauer selbst keine Vertiefung im Sinne von § 909 BGB darstelle, denn eine solche setze eine Senkung des Bodenniveaus voraus. Eine analoge Anwendung des § 909 BGB auf das Entfernen von Gebäudeteilen – wie zum Teil in der Literatur vertreten - scheide mangels planwidriger Regelungslücke aus. Mit dem Begriff der Vertiefung sei ein klar umschriebener Sonderfall geregelt, eine Ausdehnung des Begriffs wäre unvereinbar mit dem Wortlaut der Norm. Die Norm regele nicht, dass der Eigentümer eines tieferliegenden Grundstücks das höher liegende Nachbargrundstück abzustützen habe.
Ebenfalls scheide ein Unterlassungsanspruch aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis aus. Eine solche Ausnahme könne nur zur Anwendung kommen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheine. Die Tatsache, dass die Mauer eine faktische Stützungsfunktion innehabe, rechtfertige keine Unterlassungsverpflichtung.
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