Mietvertragskündigung: Ist eine Kündigungsrücknahme einseitig möglich?
Mit Zugang einer wirksamen außerordentlichen fristlosen Kündigung endet das Mietverhältnis. Es kann nicht dadurch wieder aufleben, dass die Kündigung "ausgesetzt" oder "zurückgenommen" wird. Das hat aktuell das Oberlandesgericht Koblenz entschieden (OLG Koblenz, Urt. v. 15.02.2012 - 5 U 1159/11, Info M 2012, 168 = DWW 2012, 94).
Im Fall kündigte der Vermieter ein Geschäftsraummietverhältnis am 31.01.2007 wegen Zahlungsverzuges außerordentlich fristlos. Kurz darauf erklärt er gegenüber dem Mieter am 09.02.2007 schriftlich: "Wir nehmen die fristlose Kündigung vom 31.01.2007 zurück und setzen diese bis auf Weiteres aus. Wir bitten für die Zukunft die Mieten fristerechter zu zahlen." Dafür bedankt sich der Mieter am 20.03.2007 und zahlt etwa 2 1/2 Jahre an den Vermieter. Danach bleibt ungeklärt, ob und wie regelmäßig der Mieter seine Miete zahlt. Schließlich wird der Mieter insolvent. Der Vermieter verlangt vom Insolvenzverwalter ab Oktober 2009 Mietzahlungen. Dieser ist der Auffassung, dass keine Mieten geschuldet seien. Die Kündigung vom 31.01.2007 habe das Mietverhältnis beendet. Nutzungsentschädigung sei nach Insolvenzeröffnung nur dann zu zahlen, wenn das Mietverhältnis bei Insolvenzeröffnung noch besteht.
Der Vermieter bleibt mit seiner Zahlungsklage erfolglos. Nach Auffassung des Oberlandesgerichtes sei der Mietvertrag mit Zugang der außerordentlichen fristlosen Kündigung am 31.01.2007 beendet gewesen. Die zum Ausdruck gebrachte Rücknahme und Aussetzung der Kündigung vom 09.02.2007 habe das Mietverhältnis nicht wieder in Kraft setzen können. In dem Schreiben vom 09.02.2007 sei auch kein Angebot des Vermieters zu sehen, einen neuen Mietvertrag abzuschließen. Gleiches gelte für das Mieterschreiben vom 20.03.2007. Der Vermieter habe vielmehr ausdrücken wollen, dass die Rechte aus der außerordentlichen fristlosen Kündigung aufrechterhalten bleiben sollen und er nur das Nutzungsverhältnis fortsetzen wolle. Allein durch die fortgesetze Nutzung und fortlaufende Zahlung sei nicht zwingend, um einen Mietvertragsschluss anzunehmen.
Vermietern ist mit dieser Entscheidung einmal mehr geboten, Vorsicht walten zu lassen, wenn es um (gut gemeinte) Zugeständnisse an Mieter geht. Es ist vertretbar, wie das Oberlandesgericht die Erklärung des Vermieters ausgelegt hat. Naheliegender erscheint aber gerade die gegenteilige Auslegung, die dazu führt, dass sich die Parteien hier im Fall schlüssig auf einen neuen Mietvertrag geeinigt haben (so auch Freytag, Info M 2012, 168). Der Vermieter hat hier sofort reagiert und darum gebeten, "die Mieten fristgerechter zu zahlen". Dafür bedankt sich der Mieter und zahlt immerhin zweieinhalb Jahre weiter an den Vermieter.
Im Ergebnis kann Vermietern nur empfohlen werden, in solchen Situationen den rechtssichersten Weg zu gehen und einen neuen Vertrag zu schließen. Dies gilt auch und gerade für langfristig abgeschlossene Verträge (§§ 550, 578 BGB). Für einen neuen Vertrag bedarf es (auch nach einer Kündigung) eines Angebotes (Antrag) und einer Annahme, die auch schlüssig erklärt werden können.
In der Praxis wird oft übersehen, dass es sich bei einer Kündigung um eine einseitige, empfangsbedürtige Willenserklärung handelt, die unmittelbar auf eine Rechtslage einwirkt (sog. Gestaltungsrecht). Das ist der rechtlich entscheidende Punkt, dass sich eine Kündigung vom Kündigenden nicht einseitig zurücknehmen lässt.
Haus & Grund Leipzig | RA Eric Lindner